Mehr als 90 Prozent der weltweiten Phosphorreserven liegen außerhalb Europas. Aus diesem Grund hat Deutschland als erstes Land der Europäischen Union die Rückgewinnung von Phosphor per Gesetz geregelt. Die novellierte Düngemittelverordnung (DÜMV) schränkt die direkte bodengebundene Verwertung von zwei Millionen Tonnen phosphorhaltigem Klärschlamm schrittweise ein. Die großen Entsorger sind gezwungen, innerhalb der nächsten 12 bis 15 Jahre geeignete Recyclingmethoden etablieren. Bisherige Verfahren zur Phoshorrückgewinnung haben den Nachteil, große Mengen Abfall zu produzieren und auf eine bestimmte Rohstoffmatrix festgelegt zu sein. Auch stellt die DüMV hohe Anforderungen, die von Recyclingdüngern in vielen Fällen nicht eingehalten werden.
In Kooperation mit einem Industriepartner und der Materialforschungs- und -prüfanstalt der Bauhaus-Universität Weimar (MPFA) hat der Marktführer für Wirbelschichttechnologie Glatt ein hocheffizientes Verfahren entwickelt: „PHOS4green“ setzt im ersten Schritt Phosphat aus Klärschlammaschen frei, welches anschließend mittels Wirbelschicht-Sprühgranulation rückstandslos in gebrauchsfertige Standarddünger umgewandelt wird. Das Projekt wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert. Das Verfahren ist geeignet, die Lücke im Phosphorkreislauf zu schließen, indem es den Recycling- mit dem Herstellungsprozess verbindet und zu direkt vertriebsfähigen Produkten führt.
Zweistufiges Verfahren für einsatzbereite Dünger
Um die Umwandlungsreaktion einzuleiten, wird aus der phosphathaltigen Asche mit einer Mineralsäure eine Suspension hergestellt. Dieser Schritt ist notwendig, um die aschebasierten Nährstoffe pflanzenverfügbar zu machen. Die Suspension wird stets speziell für das gewünschte Endprodukt erzeugt und an die verfügbaren Rohstoffe angepasst. Je nach Anwendungsziel können Wasser und weitere feste oder flüssige Nährstoffkomponenten, auch zusätzliche Phosphatquellen, zugesetzt werden. Um die Rohstoffkomponenten perfekt zu homogenisieren, wird die Phosphatumsetzungsreaktion vom Granulationsprozess getrennt. Das bietet eine Reihe von Verfahrensvorteilen: Die spontane, hochenergetische Reaktion, die normalerweise bei der Kombination von phosphathaltigen Aschen und Mineralsäure auftritt, läuft kontrolliert ab, weil die freie Säure bereits in der Suspension reagiert hat. Darüber hinaus ist das Verfahren ist für eine Vielzahl von Aschenarten geeignet. Erst die anschließende Sprühgranulation veredelt das aufgeschlossene Phosphat zu einem marktfähigen Produkt.
Sprühgranulation in der Wirbelschicht
Wirbelschichttechnologien zählen zu den Leitverfahren bei partikelbildenden Prozessen und eignen sich hervorragend für die wirtschaftliche Herstellung maßgeschneiderter Dünger. Das Verfahren erlaubt die Trocknung von Flüssigkeiten bei gleichzeitigem Aufbau von staubfreien Granulaten mit kompakter, homogener Struktur und dichter Oberfläche sowie hoher Abriebfestigkeit. Zudem lässt sich die Löslichkeit solcher Granulate gut auf die Anwendung anpassen. Bei Bedarf können die Partikel anschließend mit einer funktionellen Schutzschicht umhüllt werden, um verschiedene Wirkstoffkombinationen einzustellen. Ein solches Coating schützt aktive Substanzen z. B. vor Lager-, Transport- oder anwendungsbedingten Einflüssen, maskiert unerwünschten Geruch und ermöglicht ein farbiges Branding sowie die gezielte Freisetzung von Wirkstoffen (Abb. 2). Das Ergebnis sind Düngemittelgranulate mit ausgeprägter Depotwirkung und definiertem Nährstoffangebot für eine optimale Dosierung und Reduzierung von unerwünschten Drifterscheinungen bei der Ausbringung.
Bei der Phosphatrückgewinnung für die Düngemittelproduktion kann die Prozessdauer je nach Rohstoff(en) und Endprodukt stark variieren. Zudem verhalten sich die verschiedenen Formulierungen in der Suspension sehr unterschiedlich – einige Substanzen neigen zum Zusammenkleben, was durch die flexible Anpassung der Parameter ausgeglichen wird. Das Gemisch aus festen und flüssigen Komponenten in der Phosphatsuspension wird in die Prozesskammer gesprüht und das Lösungsmittel verdampft sofort. Die verbleibenden Feststoffe dienen als Trägerkeime für die Bildung neuer Düngergranulate In einem sich wiederholenden Prozess wird die gesamte Oberfläche jedes dieser Primärteilchen mit Sprühflüssigkeit benetzt, sie verdampft und es bildet sich eine feste Hülle aus mehreren Schichten (Abb. 3). Sobald die Sollgröße der Düngerkörnchen erreicht ist, wird das Produkt ausgetragen und kann direkt verpackt, vermarktet und dosiert werden.
Mehrnährstoffdünger aus angepassten Rezepturen
Nach dem gleichen Verfahren können über eine angepasste Rezeptur Mehrnährstoffdünger (z. B. NP, PK und NPK) hergestellt werden. Parameter wie Partikelgröße, Restfeuchte und Feststoffgehalt sind dabei gezielt beeinflussbar, um ein breites Spektrum an Produkteigenschaften zu erreichen. Das gilt dank hoher Partikeldichte und geringer spezifische Oberfläche auch für das anschließende Aufbringen einer funktionellen Beschichtung. Auch Kombinationen lassen sich leicht in den Prozess integrieren und hinsichtlich der Produkteigenschaften optimieren. Aus ökologischer Sicht eignen sich die neuen Dünger mit einem möglichen Phosphatgehalt von bis zu 46 Prozent sowohl als boden- als auch als pflanzenspezifische Düngemittel für den ökologischen und den konventionellen Landbau, entsprechend der Düngemittelverordnung. Schwankungen in der Aschenzusammensetzung sind durch eine Anpassung der Rezeptur leicht ausgleichbar. Das Verfahren „PHOS4green“ ist besonders wirtschaftlich und erfüllt aktuelle Marktanforderungen an die Herstellung von gebrauchsfertigen Standard- und Mehrkomponentendüngern auf Basis von recyceltem Phosphat – Rohphosphat wird nicht benötigt. Im Vergleich anderen Recyclingverfahren ist diese Methode zu 100% abfallfrei – die Aschen werden vollständig wiederverwendet. Im gesamten Prozess entstehen keine schädlichen Zwischenprodukte oder Abgase. Zudem enthalten die neuen Dünger 92 Prozent weniger Cadmium und rund 9 Prozent weniger Uran als andere Recyclate; der Schadstoffgehalt liegt deutlich unter den gesetzlichen Grenzwerten.